Ein wunderbarer Interpret

Pianist Matthias Kirschnereit begeistert im Stadttheater

LIPPSTADT   Mit dem Kammerorchester des Nationaltheaters Prag war zum Sinfoniekonzert des Städtischen Musikvereins ein Gast geladen, der sich durch hohe Klangkonzentration, Präzision und agogische Geschmeidigkeit auszeichnete. Und Burkhard A. Schmitt hat als musikalischer Leiter offenbar einen guten Zugriff auf dieses Orchester, das ihm sehr konzentriert, bis in die feinsten dynamischen Wendungen folgte. Wenn dennoch die schmissige Ouvertüre zu Gioachino Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ ein wenig saftlos klang, dann lag das nicht an mangelnder rhythmischer Straffheit, sondern eher daran, dass das Orchester sehr im Bühnenhintergrund aufgestellt war, zudem noch vom großen Flügel abgedeckt wurde. Das wiederum war ein Gewinn für das so dialogisch angelegte Klavierkonzert Nr. 4 op. 58 von Ludwig van Beethoven, wo nicht Kräfte aufeinanderprallen, sondern wo sich – und das gelang Burkhard A. Schmitt bestens zu koordinieren – liebevolle Zuwendung zwischen Solist und Orchester abspielt. Matthias Kirschnereit ist der wunderbare Interpret für diesen Kompositionsstil. Und er gibt ihn schon mit den ersten wiederkehrenden Takten dieses Klavierkonzertes vor, in denen er den Romantikern mit Ludwig van Beethoven anzudeuten scheint, in welche Richtung sie sich kompositorisch zu bewegen haben. Schwungvoll und klangbewusst Völlig überzeugend aber, wie Matthias Kirschnereit dieses lyrische Eingangsmoment immer mehr in einen Herrschaftston entwickelt, wie er in den Kadenzen seinen Solistenanspruch souverän ausspielt – über technische Kompetenz ist auf der Höhe Kirschneit’scher Interpretenliga ja nicht mehr zu sprechen –, um dann völlig in den gemeinsamen Dienst am großen Werk zurückzukehren. Wenn heutzutage oft so willig unkritisch Beifall ausgegossen wird, hier war er wirklich berechtigt, bei der Beethoven-Interpretation von Matthias Kirschnereit ebenso wie nach seiner distanziert-tiefempfundenen Schubert-Zugabe. Dass der Beifall nicht in unerträgliches Moskauer Parteitagsgeklatsche mündete, spricht für das Publikum. Nach der Pause dann die Sinfonie D-Dur op. 24 von Jan Václav Vorisek. Es wird nicht viele Zuhörer gegeben haben, die diesen Komponisten kannten, ich jedenfalls kannte ihn nicht. Und was für inspirierte, liebenswürdige Musik hat dieser böhmische Komponist geschrieben, dessen Talent sich bei seinem frühen Tod wirklich nicht ausleben konnte. Wie schwungvoll und klangbewusst wird in seiner Sinfonie das Gegenüber von Streichergruppe und Bläsern (ein Sonderlob dem Horn) ausgereizt, dieses entscheidende Kompositionsmoment, das Burkhard A. Schmitt prachtvoll herausarbeitete. Und das Orchester spielte mit solchem Engagement, als wollte es seinem Landsmann hier endlich die Bühne bereiten. Das ist bestens gelungen. Dank an den musikalischen Leiter, Dank an die Gäste aus Prag. Es ist nie zu spät, sich Unbekanntes bekannt zu machen, wie der Applaus bewies.