Auf der wilden Jagd mit Indiana Jones

Selbst in der Pause gibt es bei „I Got Rhythm“ Musik

Das Lippstädter Publikum feierte das Venezuelan Brass Ensemble am Donnerstag mit Standing Ovations. Doch auch die Musiker hält es in ihrem Konzert „We Got Rhythm!“ oft nicht auf den Stühlen. Immer wieder springen sie auf, wedeln mit ihren Instrumenten oder bewegen sich musizierend über die Bühne. Nicht nur diese Lebhaftigkeit macht das Blasorchester zu einem ganz besonderen Ensemble.

 

01.10.2022; Der Patriot

Von Andreas Balzer

Lippstadt – Man möchte ja gar nicht mit all diesem Klischeequatsch kommen. „Südamerikanische Lebensfreude“, „Rhythmus im Blut“ und so. Und dann sieht man, mit welcher Energie das Venezuelan Brass Ensemble das Stadttheater zum Tanzen bringt – zumindest gefühlt, so locker sind die Westfalen denn doch nicht – und denkt: Klischees entstehen ja nicht ohne Grund.

Dabei ist die Lebensfreude den jungen Musikern nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Denn das 2004 von Thomas Clamor – damals Trompeter bei den Berliner Philharmonikern – gegründete Ensemble ist aus dem wohl einmaligen venezolanischen Sozialprojekt „El Sistema“ hervorgegangen. Einer Jugend- und Kinderorchesterbewegung, in der inzwischen eine Million Kinder unterrichtet werden.

„Ein großer Teil, nicht alle, kommt aus armen Verhältnissen – und sie haben dadurch ihr Leben verändert“, betont der frühere venezolanische Botschafter Dr. Erik Becker Becker in seiner Begrüßung. Das Venezuelan Brass Ensemble versteht sich deshalb explizit als weltweit tätiger musikalischer Botschafter des „Systems“, darauf weist auch Dirigent Clamor in seinen Moderationen immer wieder hin.

Doch im Mittelpunkt steht natürlich die Musik. Und die hat es in sich. Am Anfang steht die „Grand Fanfare“ von Giancarlo Castro D’Addona, selbst ehemaliger Sistema-Schüler. Das Stück beginnt mit heroisch-treibendem Geschmetter, wobei die offenkundige Nähe zur Filmmusik durchaus gewollt ist. Zum furiosen Breitwandsound jagt man im Kopfkino durch einen imaginären Hollywood-Streifen à la „Indiana Jones“. Hier wird Gas gegeben, als gäbe es kein Morgen, wobei die Stimmungen immer wieder wechseln. So kippt der Rhythmus schon mal ins Tänzerische, bevor es unerwartet melancholisch wird.

Diese Bandbreite ist charakteristisch für den ganzen Abend. Da gibt es die rhythmisch lebhaften Joropos „Amalia“ von Francisco de Paula Aguirre und „Alma Llanera“ von Pedro Elías Gutiérrez ebenso wie das melodisch-verhaltene „Share my Yoke“ von Joy Webb, ein Stück, das überraschenderweise aus dem Umfeld der britischen Heilsarmee kommt.

Thomas Clamor
Das Venezuelan Brass Ensemble hält es oft nicht auf den Stühlen. Fotos: Balzer