Bildkräftiger Klang

Musikverein gelingt packende „Paulus“-Aufführung

von Alfred Kornemann

LIPPSTADT

Er ist das unvergleichliche Wunderkind der Musikgeschichte, Felix Mendelssohn Bartholdy. Sicherlich ist es dasjenige, welches den weitesten Horizont in die unterschiedlichsten Künste gewonnen hat. Ihm wurde von den Eltern, nachdem seine unfassliche Begabung erkannt war, jeder Raum zu geistiger Entwicklung eröffnet, so konnte er seine Fähigkeiten weitgehend unbelastet ausbreiten. Wie anders war es denkbar, dass bereits der 19-Jährige sämtliche Sinfonien Ludwig van Beethovens auswendig auf dem Klavier spielen oder sich mit seinem Oktett op. 20 erst 16-jährig als einer der großen Komponisten Europas beweisen konnte. Dass der in seinen jungen Jahren heftig ausgenutzte Wolfgang Amadeus Mozart eine ähnlich wundersame Entwicklung nehmen konnte, bleibt ein weiteres Geheimnis der Musikgeschichte. Felix Mendelssohn Bartholdy war darüber hinaus auch für das Erstarken des Musiklebens nicht nur in Deutschland von Bedeutung. England fühlte er sich nicht nur durch seine Studienzeit sehr verbunden. Eine „Pioniertat“ seiner frühen Jahre in Berlin war die Vorbereitung und erstmalige Aufführung von Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“, die er allerdings für das Publikum mit einigen Eingriffen versehen musste. Seine tiefe Verbindung zu Johann Sebastian Bach fand dann in seinen beiden Oratorien „Paulus“ und „Elias“ durchaus einen Niederschlag. Dramaturgisch aber auch musikalisch konnte das sein, wie in der Aufführung des „Paulus“ durch den Lippstädter Musikverein deutlich wurde. Burkhard A. Schmitt traf mit dem Konzertchor Lippstadt die Atmosphäre der Komposition, dieses Changieren zwischen dramatischen und lyrischen Momenten überzeugend, hatte mit dem Chor einen elastischen, bildkräftigen Klang vorbereitet, der mühelos, intonationssicher, im Lyrischen klanglich einheitlich und im Dramatischen sicher zupackend war. Eine besondere Erwartung an einen Choralklang auf dem schmalen Grad zwischen Gemeindegesang und kunstvollem Konzertgesang wurden dabei erfreulich erfüllt: Insgesamt eine hochanerkennenswerte Leistung des konzentriert agierenden Chorleiters und des Chors. Dass eine durch klangliche Sensibilität gekennzeichnete Aufführung zustande kam, lag auch an den einfühlsamen Beiträgen des Solistenquartetts: Marietta Zumbült, obwohl leicht angeraut, hat einen ebenso klangsicheren wie lebensvollen Sopran. Sandra Schares waren in der vom Komponisten vernachlässigten Altpartie nur wenige charaktervolle Töne anzubieten. Hinzu kamen Marcus Ullmann mit schlankem, beweglichem Tenor, und Markus Krause (Bass), der seine große Stimme im Dramatischen packend, in textbestimmter Zurückhaltung höchst sensibel einsetzte. Als Chorsolisten konnten Klaus Stuckenschneider und Hans-Bernhard Bröker rollendeckend eingesetzt werden. Das Orchester der Bergischen Symphoniker, am Beginn klanglich etwas spröde und unelastisch, gewann im Verlauf immer mehr an souveräner Intensität, hatte prachtvolle Solo-Instrumentalisten und trug damit wirkungsvoll zu einer beeindruckenden Aufführung eines anspruchsvollen Oratoriums bei.