Bis an die Grenzen

Konzertchöre von Lippstadt und Wirges beeindrucken in Dvoraks Requiem

LIPPSTADT Für den Konzertsaal hat Antonin Dvorák sein „Requiem“ geschrieben. Das mag ein wenig verwundern, entspricht aber durchaus einer englischen Chortradition. In London hat der böhmische Komponist schließlich sein letztes großes Chorwerk vollendet. Und gegen alle Erwartungen von Kennern und Liebhabern „böhmelt“ hier nichts, sondern hier zeigt sich ein Komponist, dessen Musikstil seine musikalische Herkunft nicht verbiegt, wenn auch viele Erwartungen durch ausgedehnte Auslandsaufenthalte besonders in England, wo er 1890 das Requiem vollendete, in Amerika und Russland an seinen Kompositionsstil gerichtet wurden.

Aber er hatte ja einen Johannes Brahms an seiner Seite, wahrlich ein Komponist von anderer schöpferischer Statur, der ihn für seinen unverkrampften Einfallsreichtum liebte und mit Wohlwollen begleitete. Und Antonin Dvorák hat seinen Freund tief verehrt und ihn bis in seine letzte Lebenszeit begleitet.

Beide haben ein großes Requiem geschrieben, und doch wie anders. Der Protestant Brahms stellte sich dazu einen eigenen Text zusammen, schuf sich so das eigene emotionale Kompositionsfeld. Antonin Dvorák blieb bei dem alten lateinischen Requiem-Text. Und doch bekommt der strenge Text trotz mancher kompositorischer Aufgewühltheit einen besänftigen Charakter voll mildem Gebetscharakter.

Und das hat seinen Grund in der schon am Beginn anklingenden und das ganze Werk im Hintergrund begleitenden oder beherrschenden Floskel „Kyrie eleison“, wie es in Johann Sebastian Bachs „Kyrie“ in seiner h-Moll-Messe angesprochen wird.

Burkhard A. Schmitt, der Leiter des Antonin-Dvorák-Requiems im Lippstädter Stadttheater, versuchte diesen Bezug mit großem Engagement herzustellen. Und diese Assoziation erscheint mir bei einem Komponisten, dem in kurzen Abständen drei Kinder starben, nicht unverständlich. Das Orchester der Bergischen Symphoniker folgte dem Dirigenten bei hier hörbar sensibel, es dichtete aber besonders in den Soli die vier Solisten klanglich ab.

Das lag aber auch an dem nicht ausgeglichenen Solistenensemble. Die Sopransolistin Camilla Nylund ist eine Sängerin von außerordentlichem Niveau, ein begeisternder Gewinn auch in kleinen Partien wie Antonin Dvoráks Requiem. Ihr zur Seite stand der wunderbar in allen Lagen ausgeglichene Mezzosopran Monica Mascus. Der Tenor Anton Saris blieb im Volumen unauffällig, der polnische Bassist Marek Gasztecki verdient den Dank, den erkrankten Basskollegen Peter Lobert mit stimmlicher Zurückhaltung vertreten zu haben. Ein ausgeglichenes Solo-Quartett kam so im „Recordare“ zustande.

Größten Eindruck aber hinterließen die Konzertchöre von Lippstadt und Wirges, die ja auch das Hauptgewicht der Requiem-Aufführung trugen. Burkhard A. Schmitt trieb den ausgewogenen Chorklang an die Grenzen der Kraftreserven. Anerkennenswert war, dass die klangliche Binnenspannung nicht verloren ging. Frauen und Männer verdienten sich aber besonderes Lob in den A-cappella-Chören. Das war Balsam für die große Zahl der sensiblen Oratorienbegeisterten.