Neue Philharmonie Westfalen widmete sich „Romeo und Julia“
LIPPSTADT „Sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief.“ Hier ist einmal das Wasser der Hinderungsgrund für ein liebevolles Zusammenkommen. In der Literatur gibt es dafür eine Fülle verschiedener Begründungen. Das kann von der scharfäugigen Stiefmutter über soziale Abhängigkeiten, von erpresserischen Normen bis zu konfessioneller Verbissenheit reichen. Selbst Todesssehnsucht aus tiefer Liebe führt in alle denkbaren psychologischen Tiefenschichten.
Da ist es denn kaum verwunderlich, wenn solche Mächte sich in allen denkbaren Kunstformen niederschlagen. An erster Stelle wohl in der Musik, die die unterschiedlichsten Assoziationen beim Hörer freisetzt, ohne das ihm die Denk- oder Gefühlsrichtung vorgeschrieben würde. Nicht alles ist heute in vermeintlich aufgeklärter Zeit schon überholt, wenn vieles davon auch kaum noch sonderlich zu erschüttern vermag.
Eine Geschichte aber hat die Kunstwelt doch immer wieder tief getroffen, und das hat William Shakespeare mit seinem Drama „Romeo und Julia“ auf dem Gewissen. „Romeo und Julia“ hieß dann auch das Sinfoniekonzert der Neuen Philharmonie Westfalen im wieder sturmresistenten Lippstädter Stadtttheater, veranstaltet vom Städtischen Musikverein.
Und das Programm erstellte musikalisch die ganze Gefühlsbreite, die der Dramenstoff inhaltlich vorgibt. Die „Fantasie-Ouvertüre“ des emotional immer wieder zerrissenen Peter Iljitsch Tschaikowsky stand am Programmbeginn mit der empfindungstiefen, choralartigen Introduktion, die ihr Gegenbild in den erregten Synkopen der verfeindeten Adelsgeschlechter Veronas erfährt. Generalmusikdirektor Rasmus Baumann, Leiter der Neuen Philharmonie Westfalen bewies schon hier, was sein Dirigat den ganzen Abend bestimmen sollte: das sichere Einfühlungsvermögen in die stimmungshaft wie rhythmisch bestimmten Partiturelemente.
Das macht auch die ganze Stimmungsskala in Sergeij Prokofjews Suite aus, von der Gespreiztheit des ersten Satzes, über die Innigkeit von „Das Mädchen Julia“ bis schließlich hin zur aggressiven Wucht der Dissonanzen in „Tybalts Tod“. Rasmus Baumann konnte überzeugend das ganze Gefühlstableau ausbreiten, weil ihn das Orchester mit großer Klangdisziplin, hoher rhythmischer Präzision und Konzentration folgte.
So wurden auch die „Sinfonischen Tänze“ aus der „West Side Story von Leonard Bernstein“ zu einem mitreißenden Orchestervergnügen, souverän bis in die heikelsten rhythmischen Wendungen, nie aus der gelösten Körpersprache des Dirigenten entlassen. Überraschend für viele Hörer aber mag das Intermezzo aus „A Village Romeo und Julia“ von Frederik Delius gewesen sein, Komposition des ausgewanderten gebürtigen Bielefelders, emotionales Stimmungsstück im Programm, mit großer Sensibilität gespielt und so für den Komponisten einnehmend. Das Publikum war von dem facettenreichen Programm hochgestimmt.
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