Das „Fjord“-Projekt sorgte für ein intensives Konzerterlebnis
Von Andreas Balzer LIPPSTADT Es versetzt einen ja nicht unbedingt in Hochstimmung, wenn man zur großen Geburtstagsparty lädt und kaum jemand kommt. Zumal, wenn man sich einige Mühe gegeben hat, um den Gästen richtig was zu bieten. Sehr verständlich also, dass auch beim Lippstädter Jazzclub etwas Enttäuschung herrschte angesichts des geringen Publikumsandrangs beim Konzert zum 60-jährigen Bestehen. Standen doch mit der deutschen Jazzgitarristin Susan Weinert, ihrem Ehemann, dem Kontrabassisten Martin Weinert, und der norwegischen Sängerin Torun Eriksen drei sehr hochkarätige Musiker auf der Bühne. Doch obwohl mit dem Musikverein und der Conrad-Hansen-Musikschule noch zwei weitere Veranstalter mit an Bord waren, musste die Veranstaltung kurzerhand vom Großen Haus des Stadttheaters auf die Studiobühne verlegt werden, und auch die war keineswegs rappelvoll. Was die Veranstalter schmerzen mag, erwies sich für die, die gekommen waren, als Segen. Denn die sehr ruhige, oft fragil wirkende Musik des Trios kommt in der intimen Atmosphäre der Studiobühne sehr viel besser zur Geltung. Im großen Saal wäre von der ungeheuren Intensität des Auftritts einiges verloren gegangen. Musizieren mit dem ganzen Körper Das sehen offenbar auch die Musiker so. „Wir fühlen uns pudelwohl“, betont Bassist Martin Weinert und findet auch sehr lobende Worte für den Sound und die Lichtsetzung. Überhaupt merkt man den Musikern an, dass sie mindestens so sehr wie für das Publikum auch für sich selbst spielen. Die drei mögen Profis mit langjähriger Erfahrung sein, Routiniers sind sie ganz sicher nicht. „Fjord“ heißt das CD-Projekt, das die drei Künstler zusammengeführt hat. Und es klingt so, wie in der Vorstellung die „melancholische Weite und sehnsuchtsvolle Tiefgründigkeit des Nordens“ (so der Pressetext) wohl zu klingen hat — sofern man dabei nicht infernalischere Klänge à la Gorgoroth oder Darkthrone im Ohr hat. Dominierend ist das äußert prägnante, rhythmisch sehr akzentuierte und doch melodische Gitarrenspiel Susan Weinerts. Die aus dem Saarland stammende Gitarristin hat eine ganze Latte von Effektgeräten vor sich, die sie jedoch sehr zurückhaltend einsetzt — um zum Beispiel sphärische Sounds zu erzeugen. Ihr prägnantes Spiel muss keine Geschwindigkeitsrekorde brechen, um seine Virtuosität unter Beweis zu stellen. Weinert gibt den Tönen Raum, um sich zu entfalten. Die Stille ist bei den von ihr erzeugten Klangwelten ein wesentlicher Faktor. Die Gitarristin musiziert dabei mit dem ganzen Körper. Sie scheint regelrecht mit dem Instrument verwachsen zu sein. Auf dem Gesicht hat sie mal ein verklärtes Lächeln, mal ein koboldhaftes Grinsen. Immer wieder begleitet sie ihr Spiel mit Scat-Gesang, Lachen, Jauchzen oder Schnaufen. Ehemann Martin unterlegt ihre Klanggemälde mit seinem zurückhaltenden, sehr melodischen Spiel. Dass er sehr viel mehr ist als ein versierter Begleiter, zeigt er bei den beiden Instrumentalstücken, insbesondere bei seiner eigenen Komposition „Tanz der Schmetterlinge“. Das als unaufdringliches Bass-Solo beginnende Stück ist unüberhörbar inspiriert von einer Algerienreise, bedient sich dabei aber geschickt orientalischer Sounds und Rhythmen, ohne in musiktouristische Klischees zu verfallen. Einen ganz eigenen Akzent fügt Torun Eriksen mit ihrer hellen, schwebenden Stimme hinzu. Während sie bei den Ansagen, wie ihre Kollegen auch, äußerst charmant und humorvoll mit dem Publikum plaudert, wirkt sie bei den Gesangspassagen fast entrückt, so, als schwebe sie in ihren eigenen Sphären, während sie ihre menschenfreundlichen Texte über das Leben, die Liebe und die Einsamkeit singt. In Skandinavien mag es zuweilen sehr kalt sein. Doch an diesem Abend wird es deutlich wärmer.
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