Andreas Kern und Paul Cibis begeisterten ihr Publikum mit der „Piano Battle“

Schwarz gegen weiß, sensibler Künstler gegen lauter Rock’n’Roller: Paul Cibis und Andreas Kern bei der Piano Battle

LIPPSTADT   Es geht schon reichlich steif zu im Klassikbetrieb. Nicht nur wegen der altertümlichen Fräcke und dunklen Anzüge, die manche Beerdigung wie ein fröhliches Happening wirken lassen. Auch dieses völlig durchritualisierte Händeschütteln, Aufstehen und wieder Hinsetzen, Abgehen und Wiederkommen, mit denen sich Dirigenten, Solisten und Orchestermusiker auf der Bühne so die Zeit vertreiben — neben dem Musizieren, versteht sich — mag für beinharte Fans ja das Salz in der Suppe sein. Die zwingend notwendige Zutat, ohne die sie ihren Mozart, Bach oder Wagner einfach nicht genießen können. Aber junge Hörer versetzt man damit kaum in Ekstase. Fehlt der Klassik also ein ordentlicher Schuss Rock’n’Roll? Vielleicht. Denn mit einer gewitzten Präsentation lassen sich selbst Kinder und Jugendliche für die Klänge alter Meister begeistern — ohne dass die Musik dabei Schaden nimmt. Geradezu euphorisch wurden die Pianisten Andreas Kern und Paul Cibis am Mittwochmorgen im ausverkauften Lippstädter Stadttheater von ihrem sehr jungen Publikum gefeiert. Dabei hatten sie mit Stücken von Chopin, Skrjabin, Schubert, Debussy und anderen durchaus Anspruchsvolles im Gepäck. Doch die Klaviervirtuosen begnügen sich nicht damit, die Stücke einfach flitzfingrig beim Publikum abzuliefern. Nein, sie nutzen sie sozusagen als Munition, um in einer „Piano Battle“ die Gunst der Zuhörer für sich zu gewinnen. „Sechs Runden, keine Regeln“, lautet die Devise. Der gebürtige Lippstädter Paul Cibis, im dezenten dunklen Anzug, gibt den sensiblen, eher introvertierten Musenfreund. Man möge ihm nur ganz leise applaudieren, rät Andreas Kern. „Er mag ja die Stille.“ Kern selbst erinnert mit seiner schwarzen Tolle und dem weißen Anzug nicht zufällig an Elvis. Er ist der Rock’n’Roll-Typ, der gegen seinen Kontrahenten eine Spitze nach der anderen raushaut und keine Gelegenheit auslässt, um sich selbst zu feiern. Doch sobald sie sich an den Flügel setzen — ein Bösendorfer und ein Steinway stehen sich wie zwei Stiere in Angriffsposition direkt gegenüber — sind beide nur noch eines: hervorragende Musiker. Dann hat der Clown einen Moment Pause und der Künstler zeigt, was in ihm steckt. Und das ist so atemberaubend, dass auch die jungen Zuhörer ganz gebannt zuhören und sich auf die oft sehr poetischen Klangwelten einlassen. Anschließend darf wieder getobt werden. Denn das Publikum ist bei der „Battle“ die Jury. Jeder hat eine Stimmkarte, mit der er nach jeder Runde für Cibis (schwarze Seite) oder Kern (weiße Seite) abstimmen kann. Nach jedem Voting darf der jeweilige Gewinner seinen Flügel etwas weiter in Richtung Ziellinie an der Rampe schieben. Einige Zuschauer werden auch direkt in den Wettkampf einbezogen. Die Musiker bitten vier Jungpianisten auf die Bühne, die stellvertretend für die beiden eine Art Klavier-Staffellauf absolvieren, wobei jeder immer einen Teil von Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ spielen muss. Und ein Wunschkonzert gibt es auch. Nach Zurufen aus dem Publikum improvisieren Cibis und Kern abwechseln ein furioses Medley, in das unter anderem „Für Elise“, „Summertime“ und die Filmmelodien aus „Star Wars“ und „Pink Panther“ Eingang finden. Als Künstler sind sich die beiden ebenbürtig, doch bei den Kindern und Jugendlichen kommt der smarte Showman Andreas Kern besser an. Vor allem in der ersten Runde dominiert „ein Meer von Weiß“ (Kern). Im Laufe der Show holt Paul Cibis zwar deutlich auf, doch am Schluss schiebt trotzdem sein weißgewandeter Kontrahent den Flügel als Erster über die Ziellinie. Grämen muss sich Cibis trotzdem nicht. Am Abend gibt es schließlich eine Revanche. Und die gewinnt der Lippstädter.