Ein hoher Grad an Vollkommenheit

Das Notos-Quartett überzeugt in der Jakobikirche mit völliger Übereinstimmung in der Qualität des Instrumentariums

Von Alfred Kornemann

Lippstadt – Konzertvereinigungen haben seit langem ein hohes Niveau, und das betrifft weitgehend alle Kombinationen. Was aber, wenn man auf ein Klavier-Quartett trifft, dessen Musizieren einen Grad von Vollkommenheit trifft, der einen absoluten Ausnahmerang beschreibt wie das Notos-Quartett im Konzert des Musikvereins in der Jakobikirche.

Was ist das Merkmal dieses hohen Grades an Vollkommenheit? Es ist zunächst völlige Übereinstimmung in der Qualität des Instrumentariums. Die Violine ist in gänzlichem „Einklang“ mit der Bratsche, zwischen Bratsche und Violoncello herrscht klanglich beste Übereinstimmung, und alles verbindet sich mit sensibelstem Klaviereinsatz. Das bewirkt einen völlig ausgeglichenen Klangstrom, aus dem einzelne Momente eines Werkes ohne Herrschaftsanspruch herausgehoben werden. So wird ein Klangspektrum erreicht, in dem höchste Nuancierung für alle Werke des Programms selbstverständlich und in jeder Ausprägung getroffen erscheinen. Und die Ansprüche an die jeweiligen Charaktere liegen weit auseinander, sieht man von dem ungewöhnlichen Klaviersatz a-Moll von Gustav Mahler ab, der schon als ein einzigartiger Bezug zu Johannes Brahms und seinem Klavierquartett op. 26 gelten kann.

Aber welch ein Werk ist dem gerade erst 17-jährigen Komponisten gelungen, wenn man es einreihen darf in einen Zusammenhang mit Johannes Brahms! Wolfgang Amadeus Mozarts Es-Dur-Klavierquartett (KV 493) bildete programmatisch die Brücke zu dem immer wieder von Skrupeln begleiteten 2. Klavierquartett des Komponisten. Mozart wollte seinem im gleichen Jahr entstandenen „Figaro“ entsprechen, einem Ton mit ebenso intimem wie aufgelockert expressivem Stil. Wie prachtvoll erfüllten Sindri Lederer (Violine), Andrea Burger (Bratsche), Philip Graham (Violoncello) und Antonie Köster (Klavier) diesem ganz spezifischen feingliedrigen Morzartanspruch.

Nach der Pause dann das Klavierquartett A-Dur op. 26 von Johannes Brahms, welches von so gewaltigem Ausmaß ist, dass dem Hörer beinahe der Atem stockt. „Niemand schrieb hier“, so M.E. Kornemann in seinem Buch zu Johannes Brahms, „über die Prozessualisierung der Form“, es schrieb überhaupt niemand viel. Den besonderen Schwierigkeiten dieses Stückes ging man aus dem Weg. Das Op. 26 hat das schattenlose Glück dieses Sommers ganz aufgenommen, und die erlebte Fülle weitet es auf über eine Dreiviertelstunde aus.

Subtile Beleuchtungswechsel

Brahms nimmt sich allen denkbaren Raum, aber nie erlahmt seine Erfindung in diesen Weiten. Klara Schumann war begeistert: „Der Ton innigster Zartheit wechselt schön mit frischer Lebenslust.“ Die Beleuchtungswechsel sind subtil, ebenso die Kontraste von Spannung und Entspannung. Zartheit hat hier eine lebendige, Lebenslust aber eine ganz versponnen-zögerliche Natur. Die Charaktere durchdringen sich gerade im ersten Satz. Vielleicht haben wir verlernt, solche Nuancen zu hören. Dieses Werk aber ist es wert, sich diese Fähigkeit wieder zu erwerben. Und das leistete das Notos-Quartett in einem Maße, das alle Worte der Begeisterung verdient.