Elektrisierende Zerbrechlichkeit

Konzertabend mit der Sinfonietta Cracovia und Susanne Hou war ein Geschenk

LIPPSTADT Man konnte es erwarten, dass eine so bedeutende Musiknation wie Polen nichts Zweitrangiges auf den Weg zu umgebenden Nationen schicken würde. Und so hatte das Ministerium für Kultur und nationales Erbe der Republik Polen mit der Sinfonietta Cracovia eine Konzertreise unterstützt, die für das Publikum des Lippstädter Musikvereins bleibende Erinnerungen schaffen konnte.

Was diese Kammermusikvereinigung, die bei aller Klangdisziplin immer Charme bewahrte, an klanglicher Homogenität bot, das nahm das Publikum von Beginn an für sich ein, ließ das Anreisegewitter und Regennässe schnell vergessen. Was für ein vom Publikum freudig honoriertes Musizieren boten die Gäste doch! Nicht von allzu viel historischer Musizierpraxis angekränkelt, wohl aber von deren straffen und dabei musikantisch lebendigen Interpretationsstil beeinflusst, wurde es ein fesselnder Konzertabend.

Das Divertimento für Streichorchester von Maciej Radziwill am Programmbeginn, schwereloses Musizieren, war zumindest ein gutes Beispiel dafür, wie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch die im politischen Wirken stark angespannten Führungskräfte selbstverständlich ihre seelische Kraft aus der Beschäftigung mit Kunst bezogen.

Von ähnlich kammermusikalischer Struktur ist Joseph Haydns Sinfonie Nr. 43, kraftvoll im Eingangs-und Schlussallegro, reizvoll in der Variation des liedhaften Adagio, in jedem Kompositionsmoment liebevoll intensiv ausgedeutet.

Ganz besondere Wirkung aber verdiente sich das Orchester mit dem sensiblen, elastisch angepassten Zusammenspiel mit der Solistin des Abends, der Geigerin Susanne Hou. Und damit ist der Star des Programms genannt, die Künstlerin aus Shanghai. So gar nicht starhaft, vielmehr mit charmanter Hinwendung zu Orchester und Publikum und mit musikalischem und musikantischem Erfülltsein.

Ihre elegante, nuancierte, von überlegener Artikulation und Dynamik bestimmte Interpretation des so beliebten D-Dur-Violinkonzerts Nr. 43 von Wolfgang Amadeus Mozart verdient es, neben die Darstellung von Henryk Szeryng gestellt zu werden, Plattenreverenz, unvergessen von mir im Konzert erlebt. Und wie die Künstlerin das nicht minder bekannte E-Dur-Violinkonzert von Johann Sebastian Bach spielte, voll innerer Erfüllung, ohne in Emotion abzugleiten, mit eine vibratolos gespielten Adagio von elektrisierender Zerbrechlichkeit, das war unvergessen, und da darf man auch als Rezensent einmal schwärmen.

Ebenso wie für die rasante Orchesterzugabe oder ein noch nie gehörtes, folkloristisches Kaleidoskop der Geigerin. Abende dieser musikalischen Vollendung sind ein Geschenk.