Fast wie bei Familie Mendelssohn zu Hause

Solisten Matthias Kirschnereit und Lena Neudauer begeistern im Stadttheater

Lippstadt  Solch ein Konzert wie das des Lippstädter Musikvereins mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim und zwei Solisten kann man sich gut bei den Hauskonzerten im Berliner Haus der Familie Mendelssohn vorstellen. Heiteres, bei aller räumlichen Offenheit intimes Musizieren mit Werken von Komponisten, die sich bei der Kompositionsarbeit alle noch ein wenig auf dem Weg befanden. Und erstaunlich ist es schon, auf welch hohem künstlerischen und technischen Niveau sich die Ausführenden bei den Morgenveranstaltungen befunden haben müssen, wenn die die Werke des Programms im Lippstädter Stadttheater oft prima vista gespielt haben. Am Beginn stand die Streicherserenade Nr. 2 von Felix Mendelssohn Bartholdy, ein jugendliches, in liebenswürdiger Vorgängerabhängigkeit erkennbares Stück, von dem musikalischen Leiter Timo Handschuh hochkonzentriert, präzise mit seinem Kammerorchester gespielt, nirgendwo mit dem leicht überlegenen Wissen von später bedeutenderen Kompositionen des Wunderkindes Felix. Das war dann auch das einzige rein orchestrale Werk des Programms, in dem der musikalische Leiter sein dynamisches Feingefühl, sein Ausarbeiten von musikalischer Spannung und Entspannung zeigen konnte, wie er es bei den weiteren Programmwerken bravourös als „Begleiter“ bewies. Technische Perfektion, spielerische Eleganz Hier nämlich, in seinem Anteil an einem insgesamt fast kammermusikalischen Musizieren, wurden diese Anforderungen besonders gefragt. Und das entscheidend dann, wenn zwei Solisten zu begleiten waren, deren Nähe zur Kammermusik sich zur Begeisterung des Publikums in allen Besetzungen zeigte. Matthias Kirschnereit (Klavier) ist der in Lippstadt ebenso gefeierte, wie immer mit hochgestimmter Erwartung empfangene Pianist, der in Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert A-Dur (KV 414) einmal mehr seine besondere Fähigkeit bewies, technische Perfektion zu spielerischer Eleganz und Emotionalität zu verbinden. Seine kammermusikalische Hinwendung und sensible Einfühlung in den Mitmusikanten machte Felix Mendelssohn Bartholdys Konzert für Violine und Klavier und Orchester, ein selten gespieltes und anspruchsvolles Werk, zu einem wahrem Duo-Erlebnis. Die Palme an diesem Abend aber verdiente sich die Geigerin Lena Neudauer. Mit ihrem klangfarbenreichen Instrument, das offenbar jede dynamische Abschattierung möglich macht, mit ihrer musikalischen Intensität, bei der jeder Ton seinen eigenen Atem bekommt, jede Phrase erfüllt wird, konnte sie das Konzert aller Mitwirkenden im genannten Mendelssohn-Werk zu einem lustvollen Interpretationsereignis machen, wie sie zuvor Schuberts Rondo für Violine und Orchester mit hoher Intensität und klanglicher Noblesse erfüllt hatte. Die Zugabe der beiden Künstler schien zu signalisieren: Das Publikum sollte sich Hoffnung auf einen Duo-Abend machen dürfen, der Beifall hatte dazu jedenfalls fast Aufforderungscharakter.