„Lippstadt sucht den Superstar“: Eine Jury, würde es sie denn geben, hätte es sehr schwer, den besten Künstler zu finden: Die zweite Klaviernacht des Städtischen Musikvereins bestritten auf hohem Niveau drei international renommierte Spitzenkünstler, jeder eine Koryphäe auf seine Art. Zwar mit unterschiedlichen Ambitionen, dennoch jeder Virtuose eine Spitzenklasse für sich. Alle drei Konzerte waren in ihrem Charakter bewusst höchst unterschiedlich.
Von Lothar Brode
Lippstadt – Aus der Fülle des musikalischen Angebotes seien nur einige der zahlreichen Höhepunkte herausgefiltert: Der aus Graz stammende Pianist Franz Vorraber gilt als profunder Kenner von Robert Schumann. Einen glaubhaften Beweis hierfür lieferte der Österreicher mit der lupenreinen Deutung des Klavierzyklus „Kreisleriana“, einem Schlüsselwerk der romantischen Klavierliteratur: In wohldosierter Tonstärke zauberte der Pianist mit häufigen Tempowechseln unterschiedliche Stimmungsbilder, mal feinfühlig-empfindsam bis elegisch-versonnen, dann wieder in teils schwerer Kost mit vollgriffigen Forte-Akkorden in äußerst lebhaft gestalteten Sequenzen bei der Verarbeitung manch kecker Themenmotive. Da ging kein Ton daneben, das war meisterhaft.
Der Höhepunkt war jedoch das letzte Stück, die 2015 uraufgeführte Eigenkomposition „Get nine“ Das war schon verblüffend, wie aus einem einfachen siebentaktigen eingängigen Motiv im ungewöhnlichen 9/8-Rhythmus in umfangreichen Variationen und Modulationen ein eruptiv entwickelter brodelnder Klangvulkan in eigenwilliger Motorik und rhythmisch nachhaltigem Drive entsteht. Das war hochgradig virtuos gestaltete knisternde Spannung auf dem Konzertflügel.
Nicht minder temperamentvoll gab sich dann Aleksandra Mikulska, als Vertreterin der jungen Generation. Ihre durchaus ebenbürtige virtuose Meisterleistung war eine positive Überraschung. Die polnische Ausnahmepianistin stellte ihren Landsmann Frédéric Chopin in den Fokus ihres Beitrags, wobei sie die kompositorisch vorgegebenen Stimmungsschwankungen exzellent umsetzte: Einem kraftvollen Start mit brillanten Laufkaskaden und energischem Drive folgten feinste kantable Momente, dann wieder abgelöst durch explosionsartige Ausbrüche – ein temperamentvolles Energiebündel mit hervorragender Anschlagskultur auf der Tastatur.
Die Pianistin setzte dann noch das virtuose i-Tüpfelchen mit Motiven aus der „Ungarischen Rhapsodie“ a-Moll von Franz Liszt – auch wieder eine brillant entwickelte markante Thematik mit kraftvollen Akkorden.
Ganz anders dagegen präsentierte sich der Dritte im Bunde: Der litauische Klaviervirtuose Vadim Chaimovich stellte auf seinem Streifzug durch drei Jahrhunderte Musikgeschichte unter dem Titel „Meisterwerke im alten Stil“ repräsentative Klangbeispiele aus dem Barock, der Klassik und der Spätromantik vor.
Mit stoischer Ruhe und Gelassenheit griff er dabei in die Tasten und eröffnete den Reigen mit der ursprünglich für Cembalo geschriebenen Partita G-Dur von Joseph Haydn. Bei der Chaconne f-Moll von Johann Pachelbel gelang die kontrapunktisch feingegliederte Tiefenlotung vortrefflich.
Zum Höhepunkt seines Beitrags gedieh dann die Suite „Aus Holbergs Zeit“ von Edvard Grieg: Angefangen von der festlich geprägten eingängigen Melodik im resoluten Allegro Vivace des Präludiums über ein träumerisches Andante-Thema der Sarabande und kecken Allegretto-Motiven in der Gavotte über die lyrisch-melancholische, teils liebliche Melodik im Andante der Air bis hin zum tänzerisch lebhaft gestalteten Allegro con brio im Finalsatz spannte sich ein gewaltiger, nachhaltig beeindruckender Klangbogen als würdiger Schlusspunkt eines großen Konzertevents.
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