An die 200 Sängerinnen und Sänger, drei professionelle Gesangs- und Sprachsolisten, ein nahezu ausverkauftes Stadttheater: Die Konzertchöre aus Lippstadt und Hamm haben am Sonntagabend „Peer Gynt“ mit der Philharmonie Südwestfalen und Solisten auf die Bühne gebracht.
15.10.2024; Der Patriot
Von Bettina Boronowsky
Lippstadt – Europa, Mitte des 19. Jahrhunderts: In allen Staaten, vor allem in besetzten und unterdrückten Ländern, entwickeln sich nationale Schulen. Voller Nationalstolz entdecken Dichter Sagen und Volkslieder ihrer Heimat und beleben Altes neu. In Norwegen ist es Henrik Ibsen, der aus einem alten Märchen ein dramatisches Gedicht macht. Als Bühnenstück im Theater würde es aber ohne Musik nicht funktionieren, war ihm klar. Darum bittet er den bereits populären Komponisten Edvard Grieg, Musik dazu zu schreiben. Zusammen wurden Drama und Musik zu Erfolgsgaranten.
In Lippstadt ging man jetzt den Weg umgekehrt: Am Sonntagabend brachten der Konzertchor Lippstadt und der Konzertchor des Städtischen Musikvereins Hamm, drei professionelle Gesangs- und Sprachsolisten sowie Sprecher aus dem Chor – insgesamt an die 200 Menschen – die Bühnenmusik verbunden durch eine paar Textstellen ins nahezu ausverkaufte Stadttheater. Hätte es keinen Programmzettel mit einer knappen Skizzierung der Story gegeben, hätte man keine Zusammenhänge feststellen oder gar die Bühnenhandlung mit ihren 26 Nummern erkennen können. Den Anspruch, dieses Werk in Gänze zu verstehen, konnte man also getrost über Bord werfen.
Die Philharmonie Südwestfalen war nahezu in Komplett-Besetzung, sogar mit dem großen Schlagwerk und Harfe, angereist. Professionell routiniert begleiteten die Musiker die Sängerschar unter dem Dirigat von Burkhard A. Schmitt.
Edvard Grieg hatte Ibsens Angebot zwar, unter anderem aus finanziellen Gründen, angenommen, tat sich aber sehr schwer mit dem Komposition der turbulenten Geschichte um den hochstapelnden, egomanischen Anti-Helden Peer Gynt. Zu komplex, verwirrend, düster und zu psychologisierend schien ihm das Thema. Dennoch gelang es ihm, das nihilistisch anmutender Drama mit hochromantischer Musik zu begleiten, die weltberühmt wurde: „In der Halle des Bergkönigs“, „Ases Tod“, „Morgenstimmung“, „Arabischer Tanz“, „Anitras Tanz“ und vor allem „Solveigs Lied“ kennt heute jeder. Fast alles ist sinfonische Musik. Um ihren Erfolg auch im Ausland zu sichern, hatte Grieg die Stücke seinerzeit auch in zwei Suiten zusammengefasst.
Um so unverständlich bleibt, warum für dieses Projekt eigens zwei große Chöre aufgeboten wurden. Die Sängerinnen und Sänger wurden gebraucht, um als aufgebrachtes „Volk“ Wut und Enttäuschung herauszuschreien und um Peer zu beschimpfen. Gelegentlich durften Einzelne zu rufen oder ein paar sängerische Einwürfe zu bringen. Das war überraschend. Aber Passagen oder Lieder, welche die Qualität des großen Chores hätte herausstellen oder mit denen er hätte reüssieren können, gab es bis auf „O Morgenstunde“ kaum.
Nicht, dass der Riesenchor nicht gut gesungen hätte! Der große Klangkörper bestach durch seine präzisen Einsätze, die sensible Intonation, klare Dynamik und gute Präsenz. Mit anderen Worten: Er war unterfordert und damit zu gut für die wenigen Einsätze, die das Publikum zudem nicht einordnen konnte, weil es den Text oft nicht verstand.
Ein bisschen Licht ins Dunkle und viel Lebendigkeit auf die Bühne brachte allein der jugendliche Til Ormeloh mit seiner frisch-frechen Art und der präsenten Stimme. Er kommt vom Musical und hatte bisher wenig Berührungspunkte mit der Klassik. Vielleicht war genau das sein Geheimnis, das ihn aus der Menge der E-Musik geschulten Musiker heraushob.
Er kontrastierte zu den beiden Sängerinnen, die auch nur kurze Auftritte hatten. Die Mezzosopranistin Monica Mascus war in der Rolle der Ingrid zu erleben. Die junge Russin Alyona Rostovsakya sang mit ihrem warmen Sopran „Solveigs Lied“ und beendete mit „Solveigs Wiegenlied“ anrührend den Abend.
Es gab kräftigen, aber keineswegs enthusiastischen Schlussapplaus. Peer Gynts Ende bleibt hoffnungslos und offen. Hat er sein „Selbst“ gefunden?
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