Warten auf Politik

Es soll ein fulminanter Neustart werden. Mit einem festlichen Chor- und Orchesterkonzert will der Städtische Musikverein am Samstag 29. August, das frisch sanierte Lippstädter Stadttheater eröffnen. Doch kann die Kooperationsveranstaltung mit der KWL überhaupt stattfinden? Der Städtische Musikdirektor Burkhard A. Schmitt sieht die Chancen „bei fifty-fifty“.

Von Andreas Balzer

Lippstadt – Im Moment sind wir alle Sokrates: Wir wissen, dass wir nichts wissen. Bis zum 31. August sind Großveranstaltungen coronabedingt bundesweit verboten. Doch fallen Konzerte und Theaterabende im rund 800 Besucher fassenden Stadttheater überhaupt darunter?

Was genau unter Großveranstaltungen zu verstehen ist, befinde sich gerade „in der Länderabstimmung“, teilte gestern die Pressestelle der Landesregierung auf Patriot-Anfrage mit. Und natürlich ist auch noch völlig offen, wie es mit all den anderen Veranstaltungen weitergeht, die ja bis auf Weiteres ebenfalls untersagt sind.

Fulminantes Programm zur Neueröffnung

Niemand weiß, wie sich die Infektionszahlen entwickeln. Davon wird aber wohl maßgeblich abhängen, ob es weitere Lockerungen oder vielleicht sogar – bei einer von vielen befürchteten „zweiten Welle“ der Pandemie – eine Verschärfung der bisherigen Maßnahmen gibt.

In so einer zutiefst unsicheren Situation musste Burkhard A. Schmitt noch nie in eine neue Saison starten. Trotzdem versucht der künstlerische Leiter des Musikvereins, die Sache so optimistisch und pragmatisch wie möglich anzugehen. „Realistisch gesehen müssen wir uns in dieser Situation ein bisschen einrichten“, sagt er.

Für das große Festkonzert zur Wiedereröffnung des Stadttheaters nach zwei Jahren Sanierung soll – dem Anlass angemessen – ordentlich aufgefahren werden. „Im Eröffnungskonzert huldigen wir dem großen Komponisten Ludwig van Beethoven, der fällt ja in diesem Jahr aufgrund der Krise auch ein bisschen hinten runter“, sagt Burkhard Schmitt. Denn vom 250. Geburtstag des genialen Tonsetzers spricht zu Corona-Zeiten niemand mehr. Das soll sich zumindest in Lippstadt ändern. „Er steht zentral im Programm mit seinem berühmtesten Klavierkonzert Nr. 5. – und das mit dem grandiosen Pianisten Matthias Kirschnereit, den man in Lippstadt kennt und auch sehr schätzt.“ Den Orchesterpart übernimmt die Nordwestdeutsche Philharmonie aus Herford, die an diesem Abend – wie die gesamte Veranstaltung – von Schmitt geleitet wird.

„Echo Klassik“-Preisträger Kirschnereit sei „nicht nur ein absoluter Pianisten-Star, sondern auch ein guter Freund“ schwärmt der Dirigent. Ebenso begeistert ist er von der Sopranistin Manuela Uhl, die „zwei wunderbare Arien“ singen wird, nämlich „Leise, leise, fromme Weise“ aus Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ und Antonin Dvoráks „Lied an den Mond“ aus der Oper „Rusalka”. Die Sängerin sei „ein Star der Deutschen Oper in Berlin“ und habe schon mit allen großen Dirigenten in Europa auf der Bühne gestanden“. Mit der „Freischütz“-Ouvertüre leitet das Orchester den Arien-Teil ein.

Der Konzertchor Lippstadt kommt schließlich bei Beethovens Chorfantasie op. 80 zum Einsatz. „Damit schließt sich der Kreis“, sagt Schmitt. Das Werk wird wegen der Ähnlichkeit der Hauptmelodie mit dem Schlusschor der „Ode an die Freude“ auch die „Kleine Neunte“ genannt. „Das ist ein fulminanter Abschluss des Eröffnungskonzerts. Die Kraft des Menschen in der Schöpfung findet hier ihren Widerhall. Von daher ein angemessenes Programm für so ein besonderes Konzert.“

Doch wie groß ist die Chance, dass dieses Konzert überhaupt stattfinden kann? „Ich gehe da mit einer grundsätzlich positiven Einstellung ran, die ich natürlich auch haben muss, und sehe die Chance im Moment noch bei fifty-fifty“, sagt der Dirigent. „Ich klammere mich ein bisschen an den kleinen Hoffnungsfaden, dass das Ende des Veranstaltungsverbots vielleicht doch um ein, zwei Wochen vorgezogen wird. Das ist vielleicht nicht ganz realistisch, aber optimistisch.“

Fest steht für Schmitt, dass es bei dem Konzert „nur ein Entweder-oder geben kann“ und keine Aufführung unter erschwerten Corona-Bedingungen. Denn bei einem großen Chor- und Orchesterkonzert lassen sich vor allem auf der Bühne strikte Abstandsregeln einfach nicht umsetzen. Und der Chor muss auch die Möglichkeit haben, vorher gemeinsam zu proben. „Das erschwert die Sache natürlich. Ohne ein frühzeitiges klares Go sind die Chancen sehr schlecht, dass das umzusetzen ist.“

Deshalb setzt Schmitt auf möglichst schnelle Vorgaben seitens der Politik. „Ich hoffe, dass wir Anfang Mai Klarheit haben, damit wir entscheiden können“, sagt der Städtische Musikdirektor. „Und dann müssen wir das auch entscheiden. Wir können Solisten, Chor und Orchester ja nicht erst vier Wochen vorher informieren. Das wäre unrealistisch.“

Entscheidung muss bis Mitte Juni fallen

Ein bisschen Luft ist aber noch. Spätestens „Anfang bis Mitte Juni“ müsse er endgültig Gewissheit haben, um das Konzert noch stattfinden zu lassen“, betont Schmitt. „Das wäre noch machbar. Das habe ich auch so mit dem Intendanten des Orchesters (Andreas Kuntze; Anm. d. A.) besprochen.“

Der Konzertchor Lippstadt trete ja nur bei der kleinen Chorfantasie gemeinsam mit dem Orchester und dem Pianisten auf. Bei den anderen Werken sei der Chor außen vor. „Das hat in dieser Situation natürlich Vorteile.“ Hinzu kommt, dass der Konzertchor die Chorfantasie bereits kennt, wurde sie doch bereits 2005 unter Schmitts Leitung im Stadttheater aufgeführt.

Die Sängerinnen und Sänger seien gut instruiert und probten das Werk bereits fleißig im Selbststudium ein, erklärt der musikalische Leiter. „Der Chor steht also in den Startlöchern, und dieses Werk ist auch sehr kurzfristig auf die Bühne zu bringen. Der Chor ist nicht nur musikalisch in der Lage, das zu leisten, sondern auch von seiner ganzen Disziplin und Grundeinstellung her. Da mache ich mir ehrlich gesagt keine Sorgen. Und die übrigen Werke mit dem Orchester und den Solisten sind relativ schnell und einfach, zur Not zwei Tage vorher, gemeinsam zu proben.“