Mit „The Armed Man – A Mass for Peace“ hatte der Lippstädter Musikverein 2017 einen Riesenerfolg. Die Idee, das effektvolle Werk des walisischen Komponisten Karl Jenkins erneut auf die Bühne zu bringen – diesmal mit dem Udener Koor Karakter –, entstand bereits 2019. Dass die Friedensmesse bei der coronabedingt erst am 4. Mai 2022 stattfindenden Wiederaufführung von so bedrückender Aktualität sein würde, konnte da noch keiner ahnen.
22.04.2022; Der Patriot
Von Andreas Balzer
Lippstadt – Gleich zweimal hat sich die Welt seit 2019 radikal verändert. Zuerst war es die Corona-Pandemie, die weite Teile des öffentlichen Lebens lahmlegte und dafür sorgte, dass sowohl der ursprüngliche Wiederaufführungstermin im April 2020 als auch der für 2021 anvisierte Ersatztermin gecancelt werden mussten. Und jetzt befindet sich Europa im Krieg.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat alles verändert. Und auch das Antikriegswerk „The Armed Man“ (Der bewaffnete Mensch) hat eine alarmierende Aktualität erhalten. Dabei wollten der Konzertchor Lippstadt und der Udener Koor Karakter mit Jenkins’ Friedensmesse eigentlich im Sinne eines „Nie wieder!“ vor allem der Kriegsopfer der Vergangenheit gedenken.
2020 jährte sich die Befreiung der Niederlande von der deutschen Besatzung zum 75. Mal. Aus diesem Anlass hatte der Udener Chor den Lippstädtern vorgeschlagen, in zeitlicher Nähe zum „Bevrijdingsdag“ am 5. Mai ein gemeinsames Konzert auf die Beine zu stellen – mit jeweils einer Aufführung in Deutschland und den Niederlanden.
Bei der Wahl des passenden Werkes fanden der künstlerische Leiter des Städtischen Musikvereins Lippstadt, Burkhard A. Schmitt, und sein Udener Kollege Lex Wiersma problemlos zusammen. „Wir kamen ganz schnell auf ‚The Armed Man‘ von Jenkins“, weil er das auch schon mal gemacht hat“, berichtet Burkhard Schmitt. „Dann war die Aufführung natürlich coronabedingt zwei Jahre lang nicht möglich. Wir sind aber bei diesem Werk geblieben und haben uns jetzt wieder auf den Nationalfeiertag festgelegt.“
Am 5. Mai, in den Niederlanden ein gesetzlicher Feiertag, ist „The Armed Man“ unter der Leitung von Lex Wiersma im Udener Theater Markant zu hören. Bereits am Vortag dirigiert Burkhard Schmitt das Konzert im Lippstädter Stadttheater.
Die instrumentale Begleitung übernimmt das Zuidnederlands Begleidingsorkest, das der Udener Chorleiter Lex Wiersma extra für diesen Anlass zusammenstellt. Und die Solisten kommen aus den Reihen des Koor Karakter. „Das ist ein wirklich guter Chor, der auch Verpflichtungen am Udener Theater hat“, sagt Burkhard Schmitt. „Und da sind wir ganz schnell übereinkommen, dass die wenigen Solopassagen in der ‚Mass for Peace‘ von holländischen Chorsängerinnen und -sängern übernommen werden.“
Wird sich die Interpretation von der vor fünf Jahren unterscheiden? Immerhin gibt es nicht nur viele neue Mitwirkende, mit Lex Wiersma ist diesmal auch ein zweiter musikalischer Leiter mit an Bord. „Wir sind das Werk gemeinsam durchgegangen und haben gemerkt, dass man da eigentlich gar nicht weit voneinander weg liegen kann – das liegt auch ein bisschen an der Art dieser Komposition“, sagt Burkhard Schmitt. „Die liturgischen Messeteile – er verwendet hier das Kyrie, das Sanctus das Agnus Dei und das Benedictus – sind eher auf der Basis der abendländischen klassisch-barocken Musik komponiert. Da hat man ganz schnell den gleichen Zugang und die gleiche Vorstellung von der Interpretation. Und die anderen Stücke sind zum Teil fast schon volksliedhaft. Das sind sehr einfache, schlichte Gesänge, die gar keinen Raum lassen für extreme Tempi oder solche Sachen. Wir haben das zum Teil auch zusammen durchgesungen und waren irgendwo immer auf dem gleichen Level.“
Bei den Unterschieden in der Interpretation gehe es „höchstens noch um Nuancen“, betont der Lippstädter Dirigent. „Aber die Chöre, die ja gewohnt sind, auf ein Dirigat zu achten, werden da in der Gemeinschaftsprobe ganz schnell zusammenfinden. Da gibt es also keinerlei Probleme.“ Er selbst werde im Vergleich zu 2017 sogar „die eine andere Nummer etwas anders angehen, aber das wird das Publikum eigentlich nicht wahrnehmen“.
Radikal verändert hat sich natürlich der Kontext, in dem das Konzert stattfindet. „Das ist nicht nur für mich, sondern für den ganzen Chor seit Beginn dieses schrecklichen Krieges am 24. Februar ein Dauerthema“, erklärt Burkhard Schmitt. „Dieses Werk geht einem schon ohne einen aktuellen Bezug sehr nahe. Jenkins hat seine Friedensmesse den Opfern des Kosovokrieges gewidmet, der ja über 20 Jahre her ist, aber die Menschen leiden heute noch darunter, man spricht nur nicht darüber. Es gibt so viele Konflikte auf der Erde. Aber jetzt ist uns dieser Angriffskrieg so nah, und es gibt ja auch schon sehr viele Flüchtlinge in unserem Land, deshalb ist der Bezug unglaublich intensiv.“
Vor dem Hintergrund sowohl des Zweiten Weltkriegs als auch des aktuellen Krieges in der Ukraine mit zwei Chören aus benachbarten Nationen dieses Werk aufzuführen, sei unglaublich ergreifend. „Ich glaube, ich werde innerlich zitternd und bebend auf die Bühne gehen, weil mich das persönlich sehr berührt und nachdenklich macht. Kurz vor Schluss heißt es, ‚Krieg ist besser als Frieden‘, ‚Better is peace than always war‘, das ist so ergreifend, man hat ständig Gänsehaut.“
++++ Wo, wann und wie ++++
Die Aufführung von „The Armed Man“ im Lippstädter Stadttheater beginnt am Mittwoch, 4. Mai, um 20 Uhr. Karten gibt es in der Kulturinformation im Rathaus oder an der Abendkasse. Neben Karl Jenkins’ Friedensmesse erklingt der zweite Satz aus Ludwig van Beethovens 7. Sinfonie. In Uden findet das Konzert am Donnerstag, 5. Mai, um 20 Uhr im Udener Theater Markant statt. Hier ist das zweite Stück des Abends die „Brabant-Sinfonie“ von Sjef van Rooij.
Burkhard A. Schmitt
Burkhard A. Schmitt
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