Triumph des Aris Quartetts in Lippstadt

Das Aris Quartett begeisterte auch bei seinem zweiten Konzert in der Lippstädter Jakobikirche. Foto: Boronowsky

 

Die voll besetzte Jakobikirche bejubelte das Weltklasse-Ensemble

03.12.2024; Der Patriot

Von Bettina Boronowsky

LippstadtJubel, Bravo-Rufe, Ovationen im Stehen, schier endlos scheinender Applaus und zwei Zugaben: Selten wurde ein kammermusikalisches Konzert in Lippstadt so gefeiert wie das am Samstag, als das Aris Quartett in der voll besetzten Jakobikirche spielte. Der zweite Auftritt in Lippstadt nach 2019 wurde zum Triumph für die beiden Violinisten Anna Katharina Wildermuth und Noémi Zipperling sowie Caspar Vinzens an der Bratsche und Lukas Sieber am Cello. Dabei hatte das junge Ensemble nicht mal die Renner des Genres ausgesucht, sondern Spezialitäten, die den Hörer, aber vor allem den Spielern einiges abverlangten.

Beispielsweise der „Opener“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Wer luftige Leichtigkeit zum Einstieg erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Das Aris Quartett spielte Adagio und Fuge c-Moll KVV 546. Da schimmerte der verspielte Salzburger Meister selten durch. Vielmehr wusste Mozart die strenge Fugenform, für die er sich intensiv mit Bach’schen Werken beschäftigt hatte, mit packender Dramatik und Ausdruck zu füllen.

Es gehe darum, wie Komponisten ihre persönliche Probleme in und mit ihren Werken lösten. So hatte Cellist Lukas Sieber den „roten Faden“ des Abends erklärt. Ein großes Beispiel war Dmitri Schostakowitsch. Sein existenzielles Problem teilten viele Menschen seiner Zeit. Es war die allumfassende Furcht, politisch anzuecken, die ständige Todesangst.

Unter diesem enormen Druck entstanden 15 Streichquartett, darunter das dritte in F-Dur, op. 73. Die fünf Sätze schwanken von einer fast naiven Heiterkeit zu fühlbaren Bedrohung über die laute Kriegsbilder bis hin zur Elegie und zum Rückzug in die Innerlichkeit. So hatte Schostakowitsch es wohl gemeint und so interpretierte das Aris Quartett das Werk. Mit dieser Auslegung war das damalige Regime aber offenbar nicht einverstanden, entfernte alle Überschriften und Deutungshilfen und ließ nur die üblichen Satzbezeichnungen stehen.

Hatte das Aris Quartett bei seinem ersten Auftritt in Lippstadt das erste der beiden 1873 veröffentlichten Streichquartett op. 51 von Johannes Brahms gespielt, stellte es jetzt das zweite in a-Moll vor. Das Streichquartett, die bedeutendste Gattung der Kammermusik, war für Brahms eine Art „Angstgegner“. 20 Stücke habe er weggeworfen, heißt es, bevor ein Quartett endlich seinen hohen Ansprüchen genügten. Schwelgerisch und liedhaft kommen die vier Sätze daher. Eine leicht melancholische Stimmung liegt über der Musik. Die Anstrengungen des Komponierens hört man ihnen nicht an.

Und dem Aris Quartetts waren die Anstrengungen dieses hochkomplexen Abends nicht anzumerken. Über das Stadium des Experimentierens sind die vier – obwohl noch recht jung – lange hinaus. Hinter ihren runden, klanglich ausgereiften Konzepten steckt Souveränität und eine enorme Spielfreude, die mitreißt und sich als Begeisterung unmittelbar auf die Hörer überträgt.

Als Zugaben gab’s ein Liebeslied von Antonin Dvorak und den 1. Kontrapunkt aus der „Kunst der Fuge“ von Johann Sebastian Bach. Das Ensemble von Weltklasse ist jetzt auf dem Weg, eine Weltkarriere zu machen. Lippstadt durfte dabei sein.