Vollendete Dynamik

Ein Hörerlebnis ersten Ranges bot das Minguet Quartett dem Publikum in der Lippstädter Jakobikirche. Auf dem Programm standen Werke von Johann Wilhelm Wilms, Ludwig van Beethoven und Felix Mendelssohn Bartholdy.

12.04.2022; Der Patriot

Von Alfred Kornemann

Lippstadt – Es ist geraume Zeit her, dass ich mir berechtigt vorstellen konnte, die renommiertesten Quartettvereinigungen selbst live erleben zu können. Darüber ist viel Zeit vergangen, nicht aber die besondere Neigung zum Streichquartett. Über das hat sich ja auch ganz verständnisvoll Johann Wolfgang von Goethe zu seiner Zeit geäußert, und der hatte tiefen Einblick in die Verhältnisse einer Streichquartettformation.

Ist nicht diese Zusammenstellung eine der intimsten und dabei sich doch immer wieder selbst befragende Feinsensibilität? Diese Frage muss zu jeder Komposition neu gestellt werden, und das macht den Reiz dieses besonderen Miteinanders aus. Besonders dann, wenn die einzelnen Programmpunkte so eindeutig aufeinander bezogen sind, wie es beim jüngsten Kammerkonzert in der Lippstädter Jakobikirche der Fall war.

Hat man das Minguet Quartett schon einmal in Lippstadt gehört? Muss man nicht jeden Musikinteressierten bedauern, der das musikalische Erlebnis noch nicht haben konnte? Denn es war zweifellos ein Hörerlebnis ersten Ranges.

Am Beginn des Programms stand der auch unter Musikkennern weitgehend unbekannte Komponist Johann Wilhelm Wilms (1772 – 1847), der zwar mehrere Sinfonien geschrieben hat und zu seiner Zeit durchaus hohen Bekanntheitsgrad genoss, sich aber weitgehend auf brillantes Flöten- und Klavierspiel zurückzog.

So hat er nur zwei Streichquartette geschrieben, die sich durchaus auf die beiden Vertreter der Wiener Klassik, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart, bezogen, aber sehr wohl um eigenwillige Kompositionssprache bemüht waren. Die nahm das Minguet Quartett mit Ulrich Isfort (1. Violine), Annette Reisinger (2. Violine), Aida-Carmen Soanea (Viola) und Matthias Diener (Violoncello) bei aller vermeintlichen Simplizität von Anfang an mit großem Temperament, klanglichem Nuancenreichtum und großer Flexibilität wahr.

Dies war ebenso abverlangt in der wunderbaren Ausdrucksfähigkeit der weiteren Programmpunkte, die den Abend begeisternd sein ließen: die fantastische klangliche Absprache und der Nuancenreichtum, die selbstverständliche ungekünstelte „Künstlichkeit“, die das Streichquartett in G-Dur, op. 18, Nr. 2 von Ludwig van Beethoven ebenso auszeichnete wie das Streichquartett in D-Dur op. 44, Nr. 1 von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Alle Klangräume durchmessen

Überall herrschte vollendete Dynamik, die alle Klangräume durchmaß, und das gereichte gerade dem Mendelssohn-Quartett zu besonderer Tiefe.

Wenn der Namenspatron, der spanische Philosoph Pablo Minguet (1733 - 1801), darum bemüht war, dem Volk Zugang zu den schönen Künsten zu verschaffen, so hat das Minguet Quartett das an diesem Abend in Vollendung geleistet.

*Das renommierte Minguet Quartett war auf Einladung des Musikvereins in der Jakobikirche zu Gast. Foto: Zandel