Konzert in Lippstadt: Feinstes Zusammenspiel und Farbigkeit

Der Konzertchor des Musikvereins Lippstadt brillierte in oft nur für ihn vorgesehenen Sätzen mit großer Stimmgewalt. Fotos: Heier

Mit Joseph Haydns „Die Schöpfung“ hat der Städtische Musikverein Lippstadt am Samstag ein klangmalerisches Gesamtwerk auf die Bühne gebracht, das das Stadttheater-Publikum begeistert feierte.

28.03.2023; Der Patriot

Von Marion Heier

Lippstadt – Kreativität, Verspieltheit, Freude – all diese Begriffe umschreiben am besten das so opulent ausgestattete klangmalerische Werk, das Haydn als drittes seiner vier Oratorien schrieb, in der er der Erschaffung der Erde und seiner Bewohner huldigt. Dabei brach er mit der Zusammenführung von Solisten, Chor und Orchester mit üblichen Traditionen.

Am Samstag gelingt unter Burkhard A. Schmitt ein Konzert, das die Großartigkeit der Erschaffung der Erde und ihrer Bewohner musikalisch beschreibt, die im Diskurs zwischen Evolution und Religion eine wahrhaftige Herausforderung menschlicher Vorstellungskraft bleibt.

Für Schmitt ist es eine Premiere. Noch vor Beginn des Konzerts erläutert der Dirigent in einem einführenden Gespräch, dass er sich erst an die Umsetzung eines Projekts wage, wenn er es in all seinen Facetten verstanden habe. „Die Schöpfung“ sei ein einmaliges und zeitloses Werk, voller schöpferischer Kraft mit wunderschönen Passagen, die einen Reichtum an Farbigkeit in der Orchestrierung offenbaren.

Vielstimmig und detailverliebt

Und das wird beim Abend spürbar, der vom Konzertchor Lippstadt, der Neuen Philharmonie Westfalen, der Sopranistin Annika Rioux, den für Marcus Ullmann eingesprungenen Tenor Anton Saris und dem Bariton Jens Hamann gestaltet wird.

Wie sehr spiegele da die Polyphonie einer umfassenden Instrumentierung und der Vierstimmigkeit des Chores die Einzigartigkeit und Großartigkeit der göttlichen Schöpfung wider. Selbst Haydn sei nie so fromm gewesen als während der Zeit, da er an der Schöpfung arbeitete. Täglich habe er Gott gebeten, „dass er ihm die Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte.“

Und dabei wird es gewaltig, nicht so schwermütig wie in Richard Strauss’ sinfonischer Dichtung „Also sprach Zarathustra“. Die 32 Episoden, die in Arien, Rezitativen und Chorsätzen ausgeführt werden, zeugen oftmals von einer mozartesken Verspieltheit, einer Schaffensfreude, die auch die Sänger und Musiker erfasst. Sie singen und spielen so detailverliebt, dass man die einzelnen Bilder zur Erschaffung des Firmaments, des Wassers, der Vögel und des Menschen wie in einem Album voller schöner Erinnerungen an sich vorbeiziehen sieht. Das Orchester schöpft die harmonischen und dynamischen Feinheiten der Komposition aus, die Haydn bewusst gesetzt hat – und zwar inspiriert von Georg Friedrich Händel und einer opulenten Musiksprache der reifen Wiener Klassik. Die drei Erzengel Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass) kommentieren die sechs Tage der Schöpfung. Insbesondere Hamann gibt als in Diktion und Gestik einfühlsamer und vorrangiger Rezitator der Erzählung Stuktur. Im Duett mit der ebenfalls sehr stimmmalerischen Annika Rioux besingen die zwei – musikalisch wieder eher in die bekannte Tonsprache der Oratorien zurückgekehrt – die ersten glücklichen Tage im Garten Eden. Als Raphael den Abschluss des sechsten Tages mit „Du wendest ab dein Angesicht, da bebet alles und erstarrt“ besingt, donnert es tatsächlich.

Akteure zeigen engagierte Spielfreude

Der Chor kommt meist gezielt in nur für ihn gesetzten Chorsätzen zum Einsatz und entwickelt darin eine dynamische Kraft vor allem im Lobpreis Gottes. Ihm stehen ein preisendes „Alleluja“ und das finale „Amen“ zu, mit dem er dem Werk ein würdiges Ende setzt. Es ist die bildstarke Kraft dieses vor 224 Jahren in Wien uraufgeführten Werkes, mit dem die Akteure in feinstem Zusammenspiel und engagierter Spielfreude musikalische Größe verleihen. Sie alle zusammenzuführen ist Burkhard A. Schmitt gelungen, wofür er sich im Anschluss dankbar zeigt. Sein größtes Wunschwerk: die Auferstehungssinfonie von Gustav Mahler.

 

Die Sopranistin Annika Rioux, der Tenor Anton Saris und der Bariton Jens Hamann (v.l.) aben dem Werk sein erzählerisches Gesicht.