Wenn Klassik auf 90er-Pop trifft

Neue Philharmonie Westfalen begeistert mit Crossover-Konzert

03.03.2022; Der Patriot

Von Marion Heier

Lippstadt – Dass Klassik und Rock oder Pop miteinander fusionieren, ist seit den späten Sechzigern eine durchaus populäre, mitunter auch pikante Mischung. Am Dienstag ließ die Neue Philharmonie Westfalen beim Crossover-Konzert des Städtischen Musikvereins mit den Solisten Viviane Essig und Henrik Wager die 90er auferstehen – in einer bunten Mischung aus Evergreens, die generationenübergreifend für jeden einen Ohrwurm parat hatte.

Die Beat-Box der 90er ist musikalisch gesehen vielleicht nicht gerade eine herausragende, dennoch fand in jener Zeit mit neuen Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten ein neuer Austausch statt, der auch die Musikszene belebte. Wer erinnert sich nicht an Grunge, den Britpop von Oasis und Blur, an Take That oder die Spice Girls? Das Konzert des Musikvereins, der sich damit auf neues Terrain begab, war ein herrlicher Ritt durch diese Zeit. Und das muss man sagen: Orchester, Band und Solisten lieferten eine starke Performance. Alle Elemente klanglich unter einen Hut zu bringen, gelang dem musikalischen Direktor Rasmus Baumann ganz hervorragend.

Der Sound der Neunzigerjahre, passend arrangiert für eine Besetzung wie diese, wurde zu einem authentischen Live-Erlebnis, zu dem sich einige sicher auch gerne bewegt hätten. Moderator Carsten Kirchmeier machte die nötigen Bemerkungen dazu. Neben Erläuterungen zu den Musik-Moden, gab er auch einiges über sich preis. Dass er als Reiseleiter einer Busgruppe nüchtern zu „Macarena“ tanzen musste, das sei für ihn ein einschneidendes, hoffentlich nie wiederkehrendes Erlebnis gewesen. Nachvollziehbar.

Bei dieser Zeitreise kamen besonders bei der Generation X, die als Twens die Neunziger erlebten, so einige Erinnerungen an Erlebnisse und Emotionen wieder hoch. Liebeskummer zu Gary Moores „Still Got The Blues“, Partylaune zu Jamoriquais „Cosmic Girl“ und Lenny Kravitz’ „It Ain’t Over Till Its Over“ oder Abhängen im Partykeller zu Stings „Fields Of Gold“: Das alles durfte noch einmal mental durchlaufen werden. „Wannabee“ von den Spice Girls und „I Want You Back“ von Take That bedienten den Pop-Mainstream, Metallicas „Nothing Else Matters“ oder Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ übten sich im gemäßigten Rock-Sound.

Hervorheben muss man einfach die starken und so wandelbaren Stimmen von Viviane Essig und Henrik Wager, die von Schmuse-Pop bis Rock-Röhre, von Soul bis Musical wirklich alles bewältigten – immer im erforderlichen Timbre und dennoch mit eigener, charakteristischer Note. Und was sonst nur mit Band oder aus der Konserve zu hören ist, geriet in der Doppelbesetzung mit Orchester und Band mit Piano, Leadgitarre, Bass und Drums zu einem akustischen 3D-Hörerlebnis. Da formierte sich ein unglaublich plastisches Klangbild.

Gemeinsam mit dem sowieso schon voluminösen Orchesterklang passierte da unheimlich viel auf der Bühne. Die wendigen Streicher und die stimmungsvollen Bläser mit ihren Hörnern, Fagotten und Oboen ergänzten sich mit den anderen Akteuren zu einem geballten Klangerlebnis, das manchmal zwar ordentlich Dezibel erreichte, aber nie übersteuert wurde.

Das Lippstädter Stadttheater ist zwar kein Stadion, aber was es bedeuten kann, dem Rausch der Musik erliegen, das konnte man am Dienstag erahnen.

*Voller Einsatz: Vokalsolist Henrik Wager im Lippstädter Stadttheater. Foto: Heier