LIPPSTADT Natürlich ist für Liebhaber der Kammermusik das Streichquartett das Glück des musikalischen Erdenlebens. Aber manchmal wird diese Voreinstellung ein wenig angekratzt, wenn man da etwa einem — zumindest mir bisher unbekannten — Klaviertrio wie dem Atos Trio aus Berlin begegnet. Da werden plötzlich zwei der großartigsten Kompositionen für diese Besetzung, das c-Moll Trio op. 66 von Felix Mendelssohn Bartholdy und das Klaviertrio op. 99 von Franz Schubert zu einem Interpretationsereignis. Und das, obwohl gerade diese beiden häufig gespielten Werke immer in Konkurrenz zu den wenigen und darum umso bekannteren Ensembles stehen. Das Maß aller Dinge ist dabei das Beaux Arts Trio in seiner ersten großen Spielphase. (Dass es diese Qualität nicht immer über Jahrzehnte halten konnte, dürfte nicht verwundern, das Ensemble bleibt aber der Maßstab). Wenn einem nun beim Kammerkonzert des Städtischen Musikvereins Lippstadt mit dem Atos Trio ein solcher Vergleich einfällt, dies nicht als zu hoch gegriffen empfindet, dann muss man mit Annette von Hehn (Violine), Stephan Heinemeyer (Violoncello) und Thomas Hoppe (Klavier), wohl großartigen Musikern begegnet sein. Dieser Eindruck entstand schon bei Joseph Haydns Klaviertrio in E-Dur, anspruchsvolle Hausmusik mit der Gefahr, als Einspielstück vor den Großwerken benutzt zu werden. Nicht aber beim Atos Trio, das dieses Stück für Klavier und noch nicht emanzipierte Streicher mit großer Ernsthaftigkeit spielte und dem Pianisten dabei besonders im Allegro die Demonstration feinster, sensibelster Anschlagkultur bot. Große klangliche Sensibilität, Disziplin und wunderbar ausformulierte, weitgespannte Dynamik bestimmten dann die beiden Großwerke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Schubert. Emotional aufgeladen waren beide, immer aber in einem Schwebezustand, den Spannung wie Entspannung überzeugend bestimmten. Da konnte die Hörerschaft die Bodenhaftung verlieren. Und von welcher Intensität waren gerade die Pausen erfüllt, die ja immer das hochkünstlerische Interpretationsmoment sind. Dass die Überleitungen manchmal fast an der Grenze zur Überästhetisierung waren, sie aber nicht überschritten, trug letztlich bei zu einem begeisternden Kammermusik-Abend. Abgeschlossen und fast entspannt wurde das Konzert in der Jakobikirche mit einer klangvollen kleinen Nocturno-Zugabe von Ernest Bloch, dem geistvollen und klangbewussten Komponisten aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.